Gerhard Schurr – DH2SAA – Artikel aus der FAZ

 

Wer?


Manche Wertgegenstände sind erklärungsbedürftiger als andere: von hochspezialisierten Kunsthandwerkern werden sie für einen begrenzten Kreis von Kennern und Liebhabern gefertigt, und ihre Vorzüge bleiben weithin unbekannt, weil nur wenige etwas mit ihnen anzufangen wissen. So ergeht es auch den vorzüglichen Morsetasten, die im schwäbischen Bettingen Gerhard Schurr in Handarbeit fertigt.

 

Draußen am Reihenhaus liegt Messing in Stangenform, anderthalb Tonnen. Auf dem Wohnzimmerschrank, in dem Pokale vom Schützenhobby des Tastenbauers zeugen, werden Holz-Rohlinge für die Sockel der Handtasten abgelagert. Unter den Preisen für Karabiner- und Luftpistolentreffer reiht sich hinter dem Vitrinenglas die Entwicklungsgeschichte von Gerhard Schurrs Wabblern vom – zurückgekauften – Ur-Modell anno 1984 bis zur Novität des Wabblers für Portabelbetrieb.

In einer Ecke: Konkurrenzmodelle, sozusagen als abschreckendes Beispiel. Im Keller ist die Werkstatt für die aufwendige Metallbearbeitung, unter dem Dach werden die in Handarbeit hergestellten Einzelteile in einem Kämmerchen montiert. Auf dem Wohnzimmertisch neben dem – immer gefüllten – Bestellblock stehen zwei Handtasten, liegen die unterschiedlichen Holzknöpfe, mit denen Schurrs traditionelle Handtasten zu haben sind.

Erklären wir schnell, was ein Wabbler ist : Bei der kurioserweise – auch der Wabbler wird manuell bedient – Hand- oder Klopftaste genannten klassischen Morsetaste wird der Kontakt durch Niederdrücken geschlossen. Ein Punkt oder Strich dauert so lange, wie man die Taste drückt. Der Wabbler ist eine Mechanik mit zwei „Paddles“, die senkrecht parallel stehend von Daumen und Zeigefinger gedrückt werden.

Durch eine separate Elektronik werden beim Druck von rechts Folgen von Strichen in regelbarer Geschwindigkeit gegeben. Druck von links erzeugt Punktfolgen. „Squeezt“ man beide Paddles, ergibt das, je nachdem welche Seite zuerst gedrückt wurde, eine Punkt-Strich-Punkt- oder eine Strich-Punkt-Strich-Folge. Mit Wabbler gibt es sich bequemer und schneller.

Zweiundsechzig Jahre ist Gerhard Schurr Anfang Januar geworden. Seit knapp 2 Jahren widmet sich der Mechaniker, der die längste Zeit seines Berufslebens bei Wega, dem Hersteller schicker Hi-Fi-Komponenten arbeitete, nur noch seinen Tasten. Reich werde man damit gewiß nicht, meint Schurr. Wer sich mit ihm unterhält, bekommt allerdings auch den Eindruck, um das Geschäft geht es ihm zu allerletzt. Er ist geradezu besessen von Perfektion, angefangen bei der Konstruktion über die eigene Herstellung der Komponenten bis hin zur Montage und Justierung.

„Auf jeder Taste, die hier rausgeht, habe ich wenigstens ein paarmal mein Rufzeichen – DH2SAA – gegeben. Vergegenwärtigt man sich die vielen Arbeitsgänge (besonders zeitraubend ist die Oberflächenbehandlung des Messings) wirken Schurr’s Preise – von 140 Mark für eine Wabbler-Mechanik bis 290 Mark für eine große Handtaste – geradezu günstig.

Nicht allein die selbstgedrehten Schrauben, die gehärteten Lager, die besonders dimensionierten Federn und die in Makrolon gebetteten Hartsilberkontakte machen Schurrs Tasten zu etwas Besonderem. Die konstruktiven Eigenheiten seiner Erzeugnisse sind nicht ganz leicht zu erklären. Sogar mancher Benutzer merkt vielleicht nur, wie präzise und leicht der Wabbler arbeitet, und macht sich wenig Gedanken darum, welche Auswirkung darauf die Nähe von Kontakt und Anschlag haben mag.

Schurrs unablässiges Tüfteln an Verbesserungen, seine geradezu fanatische Qualitätsarbeit machen die Tasten unvergleichlich. Die Zwetschgenholz-Knöpfe für die Handtaste? „Den Baum habe ich selbst umgemacht!“ py

(Artikel aus einer FAZ von 1993 – genauere Infos habe ich leider nicht)

 

Bemerkungen zu diesem Artikel von Markus, DL1DSN

Aus der Altersangabe von Gerhard (62) im Artikel konnte ich auf das Erscheinungsjahr des Artikels schließen (1993). Interessant sind auch die Preisangaben. Es gab die große Handtaste auf dem Holzsockel schon 1993 und sie war damals die teuerste Taste von DH2SAA ! Sie musste die Führung in der Preisliste 2002 an die „Profi 2“ abgeben, allerdings nur an die Version mit der „allseits geschlossenen Plexiglashaube“. In der heutigen Plastik-Zeit kann sich womöglich kaum einer vorstellen, wie schwierig es ist, eine solche Plexiglashaube – egal ob allseits geschlossen oder nur als U-Profil – passgenau in Handarbeit herzustellen.

Die preiswerteste Wabbler-Mechanik war und ist der Einbau-Wabbler (für ETM-Tasten oder Eigenbau-Geräte).

2017 bot übrigens jemand auf der HAM-Radio in Friedrichshafen auf dem Flohmarkt eine Profi-2 für 160 EUR an. Eigentlich geschenkt für so eine Taste. Aber da muss man Glück haben – solche Angebote sind extrem selten geworden.

 

Vielen Dank an Frank Schuster, DH0JAE für das Zusenden dieses interessanten Artikels !